HealthManagement, Volume 5 / Issue 1 2003 (German)

Ein Interview mit Lennarth Johansson, außerordentlicher Professor, Forschungsleiter, Mitglied der staatlichen Gesundheits- und Sozialbehörde, aus Stockholm, Schweden. Schweden ist sehr erfolgreichgewesen soziale Bedingungen zuschaffen, die fast nirgendwoanders in dieser Welt so langeohne Schwierigkeiten bestehenkonnten. Ihr Sozialwesen unterstütztdie Gesundheitsfürsorgeund Sozialleistungen nach denjeweiligen Bedürfnissen. Dochjetzt müssen die Schweden mitder steigenden Nachfrage fürSozialleistungen zugunsten ältererMenschen fertig werden – eine Entwicklung ihres Erfolges. Einebesondere Herausforderung, gibtes doch immer weniger Erwerbstätigeund damit verbundenefinanzielle Einschränkungen.Daher sind jetzt neue Konzeptegefragt, um mit den steigendenProblemen der Altersfürsorge fertigzu werden.

 

Grundsätzliche Ziele

Schweden war immer ein Vorreiter im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens. Das System sichert jeden wirtschaftlich ab und sorgt dafür, dass niemand infolge wirtschaftlicher Gründe von den notwendigen Sozialleistungen ausgeschlossen wird. Es gibt vier Ziele, die sich die Politik 1998 gesetzt hat. Sie beinhalten:

- Jeder soll aktiv leben können und sozial voll integriert sein

- In einem sicheren Umfeld alt warden und unabhängig bleiben zu können

- Mit Respekt behandelt zu werden

- Zugang zu ausreichenden Versorgungseinrichtungen

 

Die Schweden müssen mehr oder weniger die Hälfte ihres Einkommens für Steuern abgeben, wobei ein großer Teil davon in den Gesundheits- und Sozialbereich fließt. Unabhängig von ihrem Einkommen haben alle Schweden den gleichen Anspruch auf die Gesundheits- und Sozialleistungen. Daher erwarten die Menschen, dass dieses Service auch weiter bestehen bleibt.

 

Wie Sind Die Dienstleistungen Für Die Älteren Organisiert?

In Schweden gibt es drei Stufen der Verantwortlichkeit: Die Regierung, die Länder und die Kommunen. Auf nationaler Ebene setzen das Parlament und die Regierung politische Ziele und Richtlinien, je nach Gesetzgebung und den wirtschaftlichen Steuerungsmechanismen. Auf regionaler Ebene sind die Landesregierungen für die medizinische Grundversorgung und den Erhalt der Krankenhäuser verantwortlich. Kommunen und Gemeinden kümmern sich schließlich um Dienstleistungen im Haushilfe-Sektor wie etwa der Hauspflege. Die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistungen werden von den jeweiligen Landesregierungen und Kommunen festgelegt. Schließlich warden 80 Prozent dieser Serviceleistungen lokal finanziert, weshalb die Kommunen und Gemeinden auch relativ unabhängig entscheiden können.

 

Die Art Und Der Umfang Der

Serviceleistungen können sehr stark variieren. Das ist abhängig von vielen Faktoren, wie der wirtschaftlichen Situation vor Ort, der Verfügbarkeit von Personal und dem Anteil der älteren Bevölkerung in der jeweiligen Region. Generell gesehen gibt es aber einen Mangel an Fachpersonal, wobei dieser Mangel besonders in ländlichen Gegenden besteht. Und nachdem die Anzahl der Krankenhausbetten reduziert wurde, steigt auch die Nachfrage nach Hauspflege-Leistungen stark an. Daher haben die Kommunen die Anzahl der Betten in den Altersheimen erhöht, was allerdings wieder auf das Budget drückt. Die Kosten sind also auch ein Faktor, speziell in dünn besiedelten Gemeinden, wo der Anteil der über 65-jährigen schon mal 33 Prozent ausmachen kann. Daher sind die sozialen Dienstleistungsmöglichkeiten in wirtschaftlich schwächeren Gemeinden, mit einem starken älteren Bevölkerungsanteil auch begrenzt. All diese Faktoren führen dazu, dass es tatsächlich landesweit große Unterschiede im Serviceangebot gibt. Die Aufteilung der Verantwortlichkeiten wird daher neu diskutiert und führt zu Spannungen zwischen den Kommunen und den Landesregierungen, bezüglich der Kostenaufteilung und der Koordination der Serviceleistungen. Nicht zuletzt werden auch in der Öffentlichkeit diese Unterschiede immer häufiger zur Sprache gebracht.

 

Erst vor wenigen Wochen hat die schwedische Regierung ein Komitee eingesetzt, das sich mit diesen Problemen befassen soll (regionale Unabhängigkeit, Unterschiede im Leistungsangebot, usw.). Der Trend geht aber in die Richtung, dass die Regierung künftig eine stärkere Rolle spielen sollte, vor allem im Bereich der Qualitätskontrolle und Standardisierung. So wurden etwa 2001 finanzielle Höchst- und Untergrenzen festgelegt, um die kommunalen Serviceund Pflegeleistungen zu vereinheitlichen.

 

Rolle Der Kommunen

Vor allem die ältere Bevölkerung nutzt die ambulanten Einrichtungen in Krankenhäusern. Sie machen auch einen Großteil der kurzfristig stationär behandelten Personen aus. Im Jahr 2000 haben die über 65 jährigen 54 Prozent der Bettentage in Anspruch genommen. Nach Reformmaßnahmen im Jahr 1992 wurde die Bettenanzahl in den Krankenhäusern reduziert, wobei auch einige Krankenhäuser explizit darauf hingewiesen haben, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in ihren Spitälern zu kurz sei. Trotz dieser Bedenken geht der Trend weiter in Richtung Betreuungsmaßnahmen außerhalb der Krankenhauseinrichtungen. Mit ausreichend zur Verfügung stehendem Fachpersonal und freien finanziellen Ressourcen würden viele diesen Weg befürworten, da er für die älteren Menschen mehr Unabhängigkeit und eine höhere Lebensqualität bedeuten würde.

 

Die wichtigste Einrichtung außerhalb der Krankenhäuser ist die Hauspflege. Haushilfen unterstützen die Älteren bei ihren Aktivitäten oder stehen für ihre Pflege zur Verfügung. Im Jahr 2001 nahmen 7,9 Prozent der über 65-jährigen Dienstleistungen der Haushilfe in Anspruch. Ein Drittel von ihnen bekam Unterstützung in Form einer Hauspflegeschwester. Bei den über 80-jährigen erhielten bereits 18 Prozent eine Haushilfe.

 

Ein weiterer wichtiger Service sind Institutionen wie die Altersheime, Pflegeheime und spezielle Wohngemeinschaften. Im Vorjahr haben 20 Prozent der über 80 jährigen eine dieser Einrichtungen genutzt.

 

Viele Programme wurden ins Leben gerufen, um auch Familien zu unterstützen, die ihre älteren Verwandten pflegen. Das beinhaltet wirtschaftliche Unterstützung, Pflegeurlaub sowie einen Beratungsdienst und personelle Unterstützung. 1999 wurden vom Staat im Rahmen eines Aktionsplans höhere Zuschüsse für die Kommunen genehmigt, um die Altersversorgung auszubauen. Dieser Dreijahresplan (10 Millionen Euro stehen dafür pro Jahr zur Verfügung) soll den Gemeinden helfen eine Infrastruktur von Serviceleistungen aufzubauen, die das System der Familienpflege unterstützt. Dieses System ist unter der Bevölkerung bereits sehr beliebt. Und es haben sich bereits erste Gruppen formiert, die sich bei den regionalen und überregionalen Regierungsstellen für eine noch größere Unterstützung der Familienpflege stark machen.

 

Nachfrage Nach Haushilfen

Das ist das Megaproblem. Viele Gebiete im Land müssen ohne ausreichend ausgebildetes Personal auskommen. In Schweden arbeiten derzeit 320.000 Menschen in den Bereichen die für ältere Menschen im Gesundheits- und Sozialservice zur Verfügung stehen – doch auch diese Angestellten gehören zu denjenigen in der Bevölkerung, die immer älter werden. Die Zahl der langfristigen Krankenstände steigt in diesen Berufsgruppen und immer mehr von ihnen gehen in Pension, ohne das jüngeres Personal nachrückt. Wenn Schweden die Altersfürsorge weiter ausbaut, muss das Land in den kommenden 15 Jahren auch etwas dafür tun, damit die Pflegeberufe wieder interessanter für die jüngeren Menschen werden. So sollten die Arbeitsbedingungen und Ausbildungsformen neu organisiert werden.

 

Wie Kann Der Wirtschaftliche Druck Bewältigt Werden?

Um die wirtschaftlichen Probleme zu bewältigen, bedarf es neuer Visionen. Wir müssen definieren, wie wir der älteren Bevölkerung helfen wollen und wie die Aufteilung der Verantwortung zwischen Staat und Familie für die Älteren künftig ausfallen soll. Auch die Frage des Pensionsantrittsalters ist ein wichtigerPunkt rund um die Diskussion über gleiche Ansprüche für alle. Derzeit gehen die Schweden mit durchschnittlich 60,5 Jahren in den Ruhestand. Doch es wird jetzt empfohlen, dass die Leute länger arbeiten sollen, um eine tragfähige wirtschaftliche Lage zu erreichen. Innovative Programme mit einem präventiven Zugang, der die Älteren in ihren Wohnungen unterstützt, müssen weiter untersucht werden. Programme zur Ausbildung, Beratung und Unterstützung der Familien müssen ausgeweitet werden.

«« Coordination of primary health care and hospital health care reduces readmission in patients with COPD