HealthManagement, Volume 15, Issue 1, 2013

AUS VERSAGEN LERNEN


Spektakulär war die Entschuldigung von David Cameron im britischen Parlament für Missstände, die laut Presseberichten, über Jahre im Hospital von Stafford geschehen konnten. Unserem Wissen nach wurde die schlechte Leistung eines Krankenhauses in der Wahrnehmung seines Versorgungsauftrages noch nie so Medienwirksam in einem europäischen Parlament thematisiert. Die offizielle Entschuldigung des britischen Premiers galt den Opfern, Patienten und Familien, die lange kämpfen mussten, um ihren Klagen Gehör zu verschaffen. Ein Untersuchungs- ausschuss unter Leitung von Robert Francis nennt auf 1800 Seiten die vielseitigen Ursachen. Dabei müssen die Krankenhausleitung an erster Stelle, aber besonders auch der National Health Service (NHS) und die Regierungsverantwortlichen sich den schwerwiegenden Vorwürfen und ihrer Verantwortung stellen. Der Untersuchungsbericht vermutet laut der BBC , dass die beschämende Versorgung der Patienten in Stafford wahrscheinlich kein Einzelfall ist. Die 290 Empfehlungen betreffen daher nicht nur die Stafford Klinik, sie sind eine Aufforderung an alle Kliniken und besonders an den NHS sowie an die Regierungsstellen. Francis fordert u.a. einen nachhaltigen Wandel in der Organisationskultur der NHS. Zu diesem Thema berichten wir auch im Innenteil und bemühen uns in der nächsten EHospital Ausgabe britische Krankenhauskollegen zu Wort kommen zu lassen. Aus diesen Vorkommnissen haben wir Krankenhausmanager einiges zu lernen. Zunächst ist die berechtigte Thematisierung dieser Missstände weder auf ein Land zu beschränken noch auf alle Kliniken zu verallgemeinern. Nicht auszuschließen ist, dass möglicherweise auch Gesundheitssysteme anderer europäischer Länder sich solche Vorwürfe gefallen lassen müssen. Im Gegenzug stimmt es auch, dass viele Krankenhäuser eine noch immer hervorragende gesundheitliche Versorgung leisten und dies trotz rückläufiger Finanzmittel und hemmender Systembedingungen. Zu den Aufgaben der EVKD gehört daher auch dieses Spannungsfeld zwischen vorgegebenen Rahmenbedingungen und Leistungsvermögen zu analysieren und wenn nötig anzumahnen. Dieses Spannungsfeld gehört daher zu den Vortragsthemen beim 24. EVKD Kongress in Luxemburg.


Des Weiteren müsste der für Gesundheit zuständige EUKommissar die Offenlegung der Qualitätsmerkmale im Rahmen der EU-Richtlinie zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung mit besonderer Aufmerksamkeit überprüfen. Zum Glück befanden sich unter den ‚Stafford Opfern‘ keine Patienten anderer EU-Mitgliedstaaten. Aber was wäre wenn? Sicherlich würde der EuGH dann schnell bemüht und die nationale Zuständigkeit durch europäisches Handeln in Frage gestellt. Die obengenannte Richtlinie kann hier vorbeugen, wenn deren Auflagen von den EU Staaten, aber auch von den Partnern im Gesundheits-bereich zielgerecht bearbeitet werden. Das Thema ‚Qualität‘ zählt seit Jahren zu den Hauptthemen der EVKD. Nach unserem Seminar in 2012 in Düsseldorf vergleicht unser Beirat der europäischen Angelegenheiten die praktizierten Qualitätsindikatoren verschiedener Länder und kann Impulse zur Vorbeugung leisten. Selbsterverständlich werden wir darüber regelmässig in (E)Hospital, aber auch bei unseren Kongressen berichten.


Eine weitere Lehre lässt sich aus den Vorkommnissen im Stafford Hospital ziehen. Bei der Ursachenforschung der skandalösen Umstände und deren Verantwortungszuteilung muss neben dem Qualitätsmanagement wohl auch der Versorgungsauftrag des Hospitals, die Funktionsbeschreibung sowie die Befugnisse der Klinikmanager und nicht zuletzt die Führungsstruktur der Einrichtung überprüft werden. Denn ohne diese schriftlich vereinbarten und in der Praxis überprüften Zuständigkeiten und Strukturen fehlen Grundvoraussetzungen für ein patientengerechtes und -effizientes Handeln. Diese Erkenntnisse beherzigen die EVKD und besonders ihr wissenschaftlicher Beirat seit Jahren. Die bisherigen erarbeiteten Ergebnisse des Beirates, auch vor dem Hintergrund der Vorkommnisse in Stafford, zeigen einmal mehr, dass wir im EU-Verbund auch bzgl. des Managements unserer Gesundheitsrichtungen voneinander lernen können. Dazu gehört zweifelsohne eine kritische Selbstbewertung unserer Arbeitsweise in den Krankenhäusern und ein Vergleich auf europäischer Ebene, ohne sich mit dem Zeigefinger zu beschuldigen.


Willy J. Heuschen,
EVKD Generalsekretär u. Chefredakteur

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