HealthManagement, Volume 10, Issue 5 / 2008

Lektionen Einer Krise

In der April-Ausgabe von Hospital behandelten wir an dieser Stelle die Frage des Marktwettbewerbs in der Gesundheitsversorgung. Während über 600 Teilnehmer beim 22. EVKD-Kongress in Graz Führungsfragen der Krankenhäuser vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen diskutierten, berichteten die Medien weltweit über den Kollaps des gesamten Finanz - systems. Die Banker hätten Risiken falsch eingeschätzt und die Branche könne ohne Staatshilfe nicht mehr überleben. Selbst die Frage wurde laut, ob das kapitalistische Wirtschaftssystem bei den Bürgern jeglichen Kredit verliere.

 

Bei dieser Bankenkrise und die sich hieraus möglicherweise ergebende Rezension drängen sich Parallelen mit der aktuellen Situation im Gesundheitsbereich auf.

 

Seit den Nachkriegsjahren gehörte es zum marktwirtschaftlichen Credo, den Banken, wie übrigens auch anderen Wirtschaftsunternehmen, freien Aktionsraum zu überlassen. In einigen europäischen Ländern achteten die Staaten auf die soziale Verträglichkeit und förderten die sogenannte „Soziale Marktwirtschaft“. Die Erfolge dieses Rezeptes sind nicht an zu -zweifeln, wenn auch der stetige Wandel uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellt.

 

Das Gesundheitssystem hingegen und besonders die Krankenhäuser zählen nicht immer zu den Lieblingen der Finanzminister.Ihre Ausgaben belasteten die Staatshaushalte schwer und waren oft ein be - vorzugtes Betätigungsfeld für Einsparungen. Ein Beispiel hierfür ist die bei einer Großdemonstration in Berlin von Zehntausenden Klinikmitarbeitern ange - prangerte Unterfinanzierung der Krankenhäuser – und in anderen europäischen Ländern sieht es leider nicht anders aus. Vielerorts wird die Privatisierung der Krankenhäuser und die vermehrte Marktwirtschaft in der Führung als Allheilmittel gehandelt. Bei aller Nuancierung des EVKDStandpunktes, den wir derzeit erarbeiten und bei einem Sonderseminar auf der Medica 2009 beleuchten werden, haben wir bereits auf unumgängliche Begleitmaßnahmen hingewiesen. Blindes Vertrauen in die Handlungsfreiheit der Akteure der Marktwirtschaft ist hier sicherlich nicht angesagt, was auch die Erfahrungen mit den Banken zeigen. Auch bestehende staatliche Aufsichtsbehörden haben die Bankkrise nicht verhindert. Lohnt es die Sicherheit einer gesundheitlichen Versorgung leichtfertig aufs Spiel zu setzen, anstatt diese vorbeugend durch langfristige und ausreichende Finanzierungsmaßnahmen staatlich zu stützen?

 

Eine zweite Ähnlichkeit mit dem Bankensektor ergibt sich in doppelter Hinsicht. Massiv wurde die Schuld der Bankkrise der Falscheinschätzung der Banker, aber auch der mangelnden Kontrolle der ihnen übergeordneten internen Aufsichtsbehördenzugeschrieben. Bei manchen deutschen Landesbanken sind dabei auch Politiker ins Visier geraten. Als Entschuldigung führendiese mangelnde Fachkenntnisse an. Die zwar aus Sicht unseres Sektors durchaus beneidenswerten, aber aus ethischer Sichtnicht nachahmenswerten großzügigen Bezüge des Bankenmanagements und der Vorstände verstärken noch die Schuld  zuweisungen.

 

Diese Vorwürfe beziehen sich auf die Führungsstruktur, und unterscheiden sich aus der Sicht der Verantwortungsübernahme nur wenig vom Krankenhaussektor. Grund genug, diese Frage, ausgehend von der auf europäischer Ebene durchgeführtenErhebung, weiter zu vertiefen. Wer soll das Krankenhaus führen und wie, welche Kompetenzen sind Voraussetzung und wer kontrolliert wen?

 

Neben der Struktur wird die Arbeitsweise der Banken und die für manchen Anleger mangelnde Transparenz angeprangert.

Qualität ist gefragt, wir schulden diese geradezu den Verbrauchern - sprich den Patienten. Die Qualität kann nicht oft genug

hinterfragt werden, zumal sie sich neuen Erkenntnissen und den sich wandelnden Erwartungshaltungen anpassen muss. Derin 2010 in Davos stattfindende EVKDKongress wird dies als Hauptthema behandeln.

 

Nicht zuletzt stellen wir in der Bankenkrise fest, dass einzelstaatliche Gegenmaß - nahmen nicht mehr genügen, zumindest müssen europäische Richtlinien her. Auf mehreren kurzfristig angesetzten Toptreffen haben sich europäische Regie - rungschefs darüber beraten.

 

Krisen machen vor Landesgrenzen keinen Halt. Käme es zu einer Krankenhauskrise in einem EU-Mitgliedsstaat, beispielsweise aufgrund mangelnder Einhaltung von Qua - li tätsstandards, würden die Nachbar staaten sehr schnell in der Krisenbewältigung eingebunden werden. Wir werden daher die bereits begonnene Ausarbeitung euro päischer Qualitätsrichtlinien für Kliniken in tensivieren. Wir erwarten dazu auch eine staatliche und europäische Unterstützung.

 

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sollten endlich verstehen, dass hier Vorbeugung schneller, effizienter und kostengünstiger ist, als ein Reagieren. In diesem Sinn warden wir unsere Lobbyarbeit fortsetzen, diese Anstrengung sind wir unseren Patienten schuldig. Vorbeugen ist jedenfalls besser als blindes Vertrauen.

 

Willy Heuschen

EVKD Generalsekretär

Chefredakteur

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